Abserviert – ein bitterer Abschied

[dropcap]E[/dropcap]s gibt weniger, das schmerzhafter und verletzender ist, als öffentlich ins Unrecht gesetzt zu werden. Und doch finden sich regelmäßig langjährige Führungskräfte in dieser Situation wieder: Plötzlich und unverschuldet abserviert, vielleicht als Folge einer Umstrukturierung oder eines neuen Vorgesetzten, direkt schon am nächsten Tag nach Hause geschickt – und das vor den Augen der bisherigen Kollegen und Mitarbeiter und der ganzen Branche. Egal, was die Gründe wirklich waren: Es wirkt wie „gewogen und plötzlich zu leicht befunden“.

Wie umgehen mit solch einem Karriere-Absturz? Natürlich steht in der Personalmeldung, die betreffende Person würde sich gern „neuen Herausforderungen“ stellen, man habe sich „im gegenseitigen Einvernehmen“ getrennt und danke im Namen der Geschäftsführung recht herzlich. Nur weiß jeder, was diese Formulierungen wirklich bedeuten, und die Details der Trennung werden (oft übertrieben oder verzerrt) innerhalb von Stunden weitererzählt.

Übliche Reaktion: Flucht nach vorn

Was ich üblicherweise als Reaktion beobachte, ist eine Flucht in zwei Phasen. Zuerst geografisch: Weltreisen, Strandaufenthalte, um „mal nachzudenken“ oder „endlich mein Buch zu schreiben“, in den letzten Jahren ist auch das „Sabbatical“ im Silicon Valley in Mode bekommen, bei dem es sich ehrlicherweise häufig vor allem um die üblichen Pressetouren auf dem Google- oder Facebook-Campus und touristische Rundreisen handelt. Kaum ein Journalist kommt, beispielsweise, mit Programmierkenntnissen zurück.

Das Gehalt läuft, da beurlaubt, einige Zeit weiter. Das mag sich wie ein Traum anhören. Tatsächlich sehe ich bei Klienten, die so für einige Zeit „finanziell unabhängig“ sind, sehr ähnliche Mechanismen wie bei Langzeitarbeitslosen: Für das Materielle ist gesorgt, aber es mangelt schnell an einer Tagesstruktur, sozialen Kontakten, Aufgaben, Lebenssinn. Wenn es egal ist, ob man bis mittags im Bett bleibt und auf Facebook chattet oder YouTube-Videos durchklickt, tun das viele am Ende auch (und fühlen sich schrecklich).

So schnell wie möglich schließt sich die Flucht in eine neue Arbeit an, man will nicht den Anschluss verlieren, die Rechnungen laufen auch weiter. Fast immer ist es ein ganz ähnlicher Job wie vorher – und recht schnell eine ähnliche Situation. Der Chefredakteur, der ständig gehetzt war, immer überarbeitet und unter Druck von der Geschäftsführung, findet sich quasi in seinem alten Job wieder, nur in einem anderen Verlag. Er spürt, auch wenn er es nicht zugeben mag, die jüngere Konkurrenz näher kommen, und will doppelt so gut sein.

Was fehlt: Die Beschäftigung mit der Trauer

Was hier fehlt, ist offensichtlich: Die Beschäftigung mit all dem, was durch den Aktionismus zur Seite gedrückt wurde – Scham, Schmerz, Enttäuschung, Verbitterung, Empörung. Kurz: Ganz klassische Trauerarbeit, hier zu einem beruflichen Thema. Das ist, zugegeben, oft unangenehm, ganz hässliche Gefühle können da an die Oberfläche kommen, auf die man nicht stolz ist, kaum sich selbst und keinesfalls anderen eingestehen würde.

Vielleicht Wut auf den früheren Arbeitgeber, der einen zuletzt informierte oder über eine angeblich unerklärliche Personalmeldung in einem Konkurrenzmedium – gleichzeitig muss man dazu noch die Form wahren, vielleicht braucht man die Firma irgendwann ja wieder. Scham über die schnelle Abschiebung, die nach einem sofortigen Vertrauensentzug klingt, als würde man jetzt auch noch Kundendaten oder Büromaterial stehlen. Neid über den Nachfolger, der möglicherweise 15 Jahre jünger ist, billiger und gar nicht schlecht.

Die Chance für einen echten Neuanfang

Warum sollte man sich das antun? Aus Eigeninteresse: All diese Gefühle und Gedanken sind da, und sie lassen sich nur begrenzt unterdrücken. (Ein gutes Warnsignal ist, falls Sie es bei sich beobachten, Suchtverhalten von Alkohol bis Extremsport.) Wer sich nicht damit auseinandersetzt, vergibt sich die Chance auf einen echten, inneren Neuanfang und eventuell auch auf einen Kurswechsel. Möglicherweise wollen Sie, wenn Sie ehrlich sind, nach dieser Erfahrung mit gewissen Jobs oder Strukturen gar nichts mehr zu tun haben.

Ich halte dabei nichts von öffentlichen Geständnisse. Nicht jeder ehemalige Manager muss ein Beichtbuch schreiben, vielfach kann es sogar ganz sinnvoll sein, eine gewisse Fassade für die anderen aufrecht zu erhalten. In einem kleinen Kreis – Partner, sehr gute Freunde, eventuell ein professioneller Begleiter wie ein Coach – sollte aber alles auf den Tisch kommen, Tränen und Wut inklusive. Lassen Sie raus, was Sie wirklich bedrückt, für die anderen gelächelt haben Sie wahrscheinlich schon oft genug.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Kress.de.

 

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