Soll ich andere um Rat fragen?
[dropcap]E[/dropcap]s gibt wahrscheinlich keinen Journalisten, der sich nicht schon über Kommentare – sei es auf der Internetseite des Mediums, für das er arbeitet, auf seinem persönlichen Blog oder auf den dazugehörigen Social-Media-Seiten – geärgert hat: Sie sind, vielleicht mehrheitlich, sachlich teilweise oder komplett falsch, haben den ursprünglichen Beitrag missverstanden oder sehr eigen interpretiert und drücken vielfach eher eigene Sehnsüchte, Projektionen und manchmal Frustrationen aus, als dass sie überhaupt etwas mit dem Beitrag zu tun hätten.
Trotzdem beinhalten sie eine wertvolle Lektion für das Leben, nämlich dass „Feedback“ zu 90 Prozent wertlos oder sogar schädlich ist. Wie also damit umgehen, dass wir natürlich die Reflektion anderer brauchen, etwa für wichtige Entscheidungen im Berufs- und Privatleben, uns aber gleichzeitig vielfach abgrenzen müssen? Dazu heute einige Gedanken.
Gutes Feedback fragt zuerst nach Erlaubnis
Als Coach werde ich regelmäßig von Klienten, also Medienprofis aller Art, nach „meiner Meinung“ gefragt, sei es innerhalb einer Session oder auch informell durch einen kurzen Telefonanruf: Jemand hat ein Stellenangebot eines anderen Verlages erhalten, vielleicht in einer anderen Stadt, und ist sich nicht sicher, ob er es annehmen soll. Ein Wechsel in die PR ist möglich – „ob mir das Spaß macht, verbaue ich mir damit nicht den Weg zurück in den Journalismus?“ Ein Gehalt wird verhandelt, sind 80’000 Euro (oder welcher Betrag auch immer) viel oder wenig? Oder ganz allgemein: „Wie komme ich eigentlich so rüber?“
Wenn ich darauf antworte, folge ich – im professionellen Kontext – klaren Regeln: Derartige Einschätzungen von mir sind die Ausnahme, da meine „Meinung“ eigentlich irrelevant sein sollte und ich im Gegenteil das Ziel habe, dass mein Gegenüber innerhalb seiner eigenen (und nicht meiner) Maßstäbe entscheidet. Ich frage vorher um Erlaubnis und mache klar, dass es sich um eine Außenperspektive handelt, die von der Wahrnehmung der Person abweichen kann. Ein Disclaimer, der Respekt ausdrückt: Du kannst das ganz anders sehen.
Nicht Meinungen, sondern Fakten und Erfahrungen
Wie macht man sich nun selbst unabhängiger von Kommentaren? Gewöhnen Sie sich grundsätzlich ab, andere nach „ihrer Meinung“ zu fragen oder auch, etwas geschickter ausgedrückt: „Was würdest Du an meiner Stelle machen?“ Die Wahrheit ist: Die andere Person ist nicht an Ihrer Stelle, kennt Sie viel weniger als Sie sich selbst und wird nach der Entscheidung auch nicht die Folgen tragen. In den meisten Fällen sind diese Fragen auch gar keine echten Fragen, sondern der Versuch, etwas Verantwortung abzugeben.
Was Sie stattdessen tun sollten ist, andere entweder nach faktischen Informationen oder nach deren eigenen Erfahrungen zu fragen. Das hilft Ihnen, eventuell Informationslücken zu schließen und damit Ihre Entscheidung zu verbessern, und von anderen zu lernen, aber gleichzeitig immer klar darin zu bleiben, dass Ihr Leben ein eigenes ist. Sie können etwas machen, das alle anderen für völlig falsch halten, und es kann das genau Richtige sein.
Ein Beispiel: Sie erwägen, ihre Redakteursstelle auf Teilzeit abzusenken, um nebenbei frei im PR-Bereich zu arbeiten. „Würdest Du das machen“, ist die falsche Frage. Die Antworten, die Sie darauf erhalten, sind wertlos für Sie. Ein Kollege, der sowieso kündigen will, wird die Teilzeit-Variante vielleicht für mutlos halten und Ihnen zum „konsequenten Wechsel“ raten. Ein anderer, frisch verheiratet und durch ein Haus verschuldet, könnte sich das finanziell gar nicht leisten und rät ab, denkt aber vielleicht, dass er selbst das sehr gern tun würde.
Stattdessen könnten Sie besser jemanden, der sich im Arbeitsrecht auskennt, zum Teilzeitgesetz befragen und würden erfahren, dass jeder Arbeitnehmer nach sechs Monaten das Anrecht auf Teilzeit hat und der Arbeitgeber das nur in seltenen Ausnahmen ablehnen kann, Sie aber sicherheitshalber eine Rückkehr-Regelung zur Vollzeit vereinbaren sollten. Sie könnten jemanden, der bereits nebenberuflich arbeitet, fragen, wie er seinen Alltag organisiert, seine Webseite aufgebaut, erste Kunden gewonnen hat – wissend, dass Sie etwas daraus lernen, es aber auch ganz anders machen und trotzdem erfolgreich sein können.
Die beste Freundin ist vielleicht nicht die beste Ratgeberin
Daraus folgt, dass Sie sortieren müssen: Die beste Freundin ist vielleicht nicht die beste Ratgeberin. Kriterien könnten eine gewisse Fachkenntnis und Lebenserfahrung in dem Gebiet, das Sie beschäftigt, sein, aber auch, dass Ihr Gegenüber den Unterschied zwischen „ich“ und „du“ versteht, akzeptiert und schätzt. Das macht es Ihnen auch leicht, die andere Ansicht stehen zu lassen und Ihre eigenen Entscheidungen zu treffen. „Danke“ genügt als Antwort, übrigens auch in Mitarbeiter-Feedbacks, Sie müssen sich nicht zwingend erklären oder rechtfertigen.
Möglicherweise stellen Sie fest, dass Ihnen einige Aspekte davon schwer fallen: Sie benötigen innerlich die Zustimmung von jemanden, der doch mit Ihrer Entscheidung gar nichts zu tun hat („Approval Addiction“), können die Meinungen anderer nicht entspannt nur hinnehmen oder stellen fest, dass Sie eigene Kommentare, die unerbeten waren und die sie später bereuen, einfach nicht lassen können. Diese Tendenzen sollten Sie nicht ärgern, sind aber wertvolle Hinweise: Ihr Thema ist dann gar nicht die Entscheidung, um die es scheinbar geht, sondern Selbstsicherheit und innere Unabhängigkeit.
Dieser Beitrag erschien zuerst auf Kress.de.
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