Gerechter Zorn ist auch keine Lösung
[dropcap]V[/dropcap]oller Empörung sprach eine freie Auslandskorrespondentin vor befreundeten Kollegen über ihre Situation: Seit Jahren sanken ihre Honorare. Gleichzeitig kamen sie ständig zu spät, oft erst nach vier bis sechs Monaten. Ebenso verzögert wurden ihre Spesen erstattet, die sie vorstrecken musste und bei denen sie nur darauf hoffen konnte, dass ihre Auftraggeber sie anerkannte. Ihre eigenen Ausgaben wie Miete, Krankenversicherung und Telefon wurden selbstverständlich pünktlich vom Konto abgezogen. Ebenso waren die Steuern fristgemäß fällig. Ohne einen Nebenjob und gelegentliche Unterstützung durch Freunde könnte sie es sich wohl gar nicht mehr leisten, als Journalistin zu arbeiten.
Ein Chefredakteur war in einer ganz anderen, dennoch ähnlich frustrierenden Lage: Die Verlagsleitung warf ihm vor, dass sein Titel qualitativ nicht mehr da stünde, wo er sein sollte. Ein Teil des Auflagenverlustes sei der „gesunkenen Relevanz“ zuzuschreiben, die sich im Zitate-Ranking und in sinkenden Social-Media-Interaktionen ausdrücken würde. Das selbe Management hatte ihm gleichzeitig die Stellen und Budgets immer weiter gekürzt und seinen Antrag auf Budget für eine Werbekampagne abgelehnt. Der Titel solle auf kostenlose Eigenanzeigen setzen, auch wenn diese nur bereits existierende Leser erreichen würden. Am liebsten hätte der Chefredakteur längst gekündigt, doch ihm fehlte eine Alternative.
Der Frust ist raus, das Problem aber ungelöst
Ein gelegentlicher Wutausbruch kann in solchen Fällen eine echte Erleichterung sein: Endlich mal raus mit dem angestauten Frust! Für jemanden, der sich bisher als weitgehend den Umständen ausgeliefert empfunden hat, ist das sogar ein Durchbruch: Ein empörtes „Ich mach da nicht mehr mit!“ ist dann der erste Schritt aus dem langen passiven Erdulden. Das eigentliche Problem löst sich damit allerdings nicht, und für die beruflichen und persönlichen Beziehungen ist auch der gerechte Zorn selten hilfreich. So sollte anhaltende Wut der Anlass sein, sich mit positiven Lösungsmöglichkeiten zu beschäftigen.
Mangelhafte Zahlungsmoral der Kunden, wie im Fall der Korrespondentin, kann für Freie beispielsweise der Anlass sein, sich intensiver mit dem eigenen Geschäftsmodell und den persönlichen AGB auseinander zu setzen. Ist das eigene Angebot zu austauschbar, sollte man seine Geschäftsbedingungen ändern (z. B. Voraus- und Teilzahlungen einfordern), sich von bestimmten Kunden trennen, die mehr Ärger als Umsatz bringen? Wenn ja, wer könnte eine attraktivere Zielgruppe werden und wie würde man sie erreichen? All das ist ein wenig mühevoller als verärgertes Schimpfen, beseitigt mittelfristig aber Dauerfrust.
Für den Chefredakteur könnte es eine Option sein, mit seinem Arbeitgeber die Reichweite seiner Kompetenzen und Verantwortung zu klären. Das kann dazu führen, dass ihm ein Dilemma klar wird: Er soll etwas verbessern, darf aber nichts verändern. Damit soll er für etwas haften, das er gar nicht beeinflussen kann. Nehme ich das hin, weil das Arrangement für mich insgesamt trotzdem noch stimmt, beispielsweise durch das relativ sicheres Gehalt? Wenn nicht, ist es vielleicht an der Zeit, mehr ins Netzwerken und in Bewerbungen zu investieren, anstatt sich weiter zu ärgern.
Zorn als Indikator
Umgeleitete Wut kann ein enorm kraftvoller Motor für Veränderung sein. Mit dieser Einstellung sorgt jeder morgendliche Gang ins Büro, jedes Meeting für einen neuen Schub an Motivation: Ich tue alles dafür, dass ich bald nicht mehr hier sein muss. Umgekehrt kann auch Akzeptanz – „trotz aller Probleme passt das für mich“ – viel bringen: Dann reibt man sich nicht mehr an etwas auf, das nicht zu ändern ist, sondern lenkt seine Kraft auf etwas, das zu beeinflussen ist. Zorn ist damit ein guter Indikator, das sich etwas ändern sollte. Entweder die Umstände oder die eigene Einstellung.
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