ein Mann sitzt im Newsroom am Schreibtisch

Karriere-Sackgasse: Im Newsroom vergessen – was tun?

[dropcap]I[/dropcap]n einem lauten Großraumbüro mit hunderten Kollegen, kaum noch Zeit für Recherchen außer Haus und eigene Texte: Viele Medienprofis fühlen sich im Newsroom abgeschoben und vergessen. Einige Tipps über Schritte, wie man sich wieder aus dem redaktionellen Alltagstrott befreien kann. 

Die langjährige Redakteurin einer überregionalen Tageszeitung hatte in den letzten beiden Jahrzehnten einiges hinnehmen müssen. Das Auflösen ihres Zweier-Büros für den Umzug in den neuen Newsroom. Sie empfand ihn heute noch als beklemmend und laut. Die Ausdehnung ihrer Arbeitszeit auf einen Schichtdienst zwischen 6 und 23 Uhr, weswegen sie als Pendlerin tageweise um 4.15 Uhr aufstehen musste. Mehrere Versetzungen in andere Ressorts, bei denen sie kein Mitspracherecht hatte. Für Recherchen außer Haus und eigene Texte war immer weniger Zeit, hauptsächlich bearbeitete sie Agentur- und Fremdtexte.

„Für mich fühlen sich die vergangenen Jahre wie eine fortlaufende Entwertung an”, sagte sie bei unserem Kennenlernen. „Ich war einmal eine Fachjournalistin, die durchaus auch in der Öffentlichkeit wahrgenommen wurde. Jetzt sitze ich hier als ‘Pixelschubserin’ im Newsroom neben lauter Berufsanfängern und weiß, dass ich froh sein muss, weil ich wenigstens noch meinen alten Vertrag habe.” Interne Bewerbungen hatte sie aufgegeben, nachdem die Chefredaktion ihr bedeutet hatte, dass man für sie keine Perspektive mehr in der Redaktion sah. Sie fühlte sich abgeschoben und vergessen. Sollte das ewig so weitergehen?

Gemischte Erfahrung für die meisten Medienprofis

Für die meisten Journalisten sind Newsrooms, eingeführt ab Mitte der 90er Jahre, eine sehr gemischte Erfahrung. Tatsächlich ist das Arbeiten moderner und schneller geworden, durch den Lärm und die Enge aber auch anstrengender. Viele fühlen sich am Tagesende müder als vorher, melden sich häufiger krank. Angeblich sollte man durch das offene Raumkonzept mit flexiblen Arbeitsplätzen mehr kommunizieren. Tatsächlich schirmt sich nicht selten ein Großteil der Belegschaft mit Kopfhörern voneinander ab, schreibt lieber eine E-Mail oder eine Slack-Nachricht. Die Gehälter erodieren, die Arbeit wird mehr und monotoner.

Schon das Eingeständnis der eigenen Unzufriedenheit ist hier ein erster persönlicher Befreiungsakt. Selbstverständlich wird die Unternehmensleitung offiziell immer verkünden, dass es noch nie so aufregend gewesen sei, im Journalismus und speziell in diesem Newsroom zu arbeiten. Wenn du diesen Eindruck auch teilst bist du am richtigen Ort. Wenn du das anders als dein Chef und deine Kollegen siehst, ist das ebenso dein Recht. Es hat wenig Sinn, mit anderen über deren Einschätzung zu streiten oder gemeinsam in der Kantine über die Firma zu klagen. Einige praktische Schritte helfen Ihnen weiter.

Persönliches Profil aufbauen

Chefredakteuren, Ressortleitern sowie prominenten Reportern und Autoren gelingt es auch aus einem Newsroom heraus, öffentlich wahrgenommen zu werden. Du musst eventuell noch daran arbeiten. Nur so wirst du Angebote erhalten oder bei einer Bewerbung nicht den Standardweg über Stellenanzeige und HR gehen müssen. Entscheide dich für zwei Spezialisierungen: Inhaltlich (welche Themen du bearbeitest) sowie stilistisch (wie du das tust). Auch wenn du eigentlich ein Generalist bist, solltest du möglichst viel in genau dieser Nische produzieren. So baust du dir einen Ruf als Experte auf, der dir bald helfen wird.

Headhunter eher die Ausnahme

Warte nicht darauf, wie durch ein Wunder von einem Headhunter (Personalvermittler) angesprochen zu werden. Die meisten Stellen besetzen Unternehmen direkt, weil sie keinen Mangel an Bewerbern haben und sich so die Provision für den Vermittler sparen. Zum Einsatz kommen Headhunter eher, wenn du z. B. Chefredakteur, Head of Corporate Communication u.ä. werden willst oder eine spezialisierte Digitalkompetenz gesucht wird. Aber auch da entsteht der Kontakt fast immer über persönliche Beziehungen. Ein gepflegtes LinkedIn-Profil als öffentlichen Lebenslauf solltest du allerdings in jedem Fall haben.

Größeres Netzwerk pflegen

Die meisten Medienprofis haben ein sehr eingeschränktes Netzwerk, oft nur  innerhalb der eigenen Redaktion. Erweitere es in andere Verlage und Branchen. Wenn du dir die Autorenzeilen und Impressen in anderen Publikationen durchsiehst, wirst du immer wieder Personen entdecken, die du von früher oder flüchtig (z. B. über Twitter) kennst. Sende einen Gruß, verabrede dich. Oft finden sich gemeinsame Interessen, könnt ihr einander helfen. Bereite dich aber auf diese Gespräche vor: Was willst du vermitteln, was erfahren? Respektiere die knappe Zeit deines Gegenübers.

Im beruflichen Alltag einplanen

Praktisch jeder Medienprofi ist heute beruflich stark eingespannt, hat familiäre und persönliche Verpflichtungen und Wünsche. Die Versuchung ist daher groß, jede Aktivität für einen berufliche Verbesserung immer wieder auf „später” zu verschieben. Schnell vergehen so Jahre, ohne das sich etwas ändert. Blockiere dir daher am besten gleich in deinem Kalender am besten feste Zeiten für deine Karriere: Stellenanzeigen prüfen, Bewerbungen verschicken, LinkedIn und Lebenslauf pflegen, Kontakte ausbauen. 2x 30 Minuten pro Woche wären ein guter Wert. Entscheidend ist weniger die Länge als die Regelmäßigkeit.

Aktuellen Arbeitsmarkt prüfen

Wer sich lange nicht beworben oder gar beruflich verändert hat, denkt unbewusst oft noch innerhalb eines Arbeitsmarktes, den es so schon lange nicht mehr gibt. Es empfiehlt sich nicht, nur jahrelang auf eine freie Feuilleton-Ressortleiterstelle, den Reportervertrag bei der „Süddeutschen” oder eine Korrespondentenstelle in den USA oder Westeuropa zu warten. Abonniere die Job-Newsletter von Kress.de oder Newsroom.de und beschäftige dich mit den tatsächlich offenen Stellen. Was wäre ein möglicher Arbeitgeber, kennst du dort bereits jemanden, passt deine Qualifikation oder ist etwas nachzuholen?

Es braucht einiges an Mut und Entschlusskraft, um aus einer Sackgasse im Newsroom auszubrechen. Immerhin hat der Job auch seine Vorteile: Du kennst dich hier aus, hast einen respektablen Arbeitgeber, ein solides Gehalt und doch immer wieder auch ein spannendes Thema. Je länger du noch bis zur Rente hast, desto mutiger darfst du sein. Falls du dich fragst, ob du überhaupt noch eine Chance hast?: Selbstverständlich, übrigens auch mit 50 plus. Entscheidend ist deine persönliche Klarheit und Entschlossenheit, nicht wie bisher weiter zu verfahren, sondern ein neues berufliches Kapitel aufzuschlagen.

 

Dieser Beitrag erschien zuerst auf kress.de

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