In der ersten Führungsposition ankommen
[dropcap]A[/dropcap]ls Angestellter habe ich in jüngeren Jahren häufig an Workshops für Verlagsmitarbeiter teilgenommen, die sich an „Young Potentials“ und ähnliche Gruppen richteten. Vieles, was da präsentiert wurde, erschien mir schon damals als problematisches Konstrukt, da gänzlich theoretisch und höchstens auf einer intellektuellen Ebene anwendbar. Eines dieser Modelle ist der „Rollenwechsel“, der die Anpassung an die erste echte Führungsposition meint.
Als Coach sehe ich nun viele Jahre später jüngere Klienten in dieser Situation, und das fast durchweg in einer von zwei Situationen: Befördert zum Chef von Kollegen, mit denen man vorher auf freundschaftliche Art zusammengearbeitet hat, sie nun aber anweisen soll – oder als junge Frau die neue Leiterin eines deutlich älteren und männlich geprägten Ressorts, damit eines erfahrungsmäßig überlegenen und oft nicht besonders kooperativen Teams.
In beiden Szenarien geht es um das Ausüben von Macht, die durch die Position verliehen wurde, aber von der eigenen Empfindung her nicht oder nur teilweise gedeckt ist. Auch die Praxis setzt einer Machtausübung viele Grenzen: Das deutsche Arbeitsrecht macht den Austausch von Mitarbeitern schwierig, Drohungen mit Strafversetzung oder Kündigung verpuffen. Nicht selten wartet das Team einfach ab, bis die Führungskraft aufgibt.
Arbeiten Sie im Normalfall nur mit 80 Prozent Ihrer Kapazität
Eine erste Fähigkeit beim „Rollenwechsel“ ist deshalb Ressourcen-Management. Es fällt auf, wie viele junge Führungskräfte völlig überarbeitet sind und damit nicht ausreichend Zeit und Kraft haben, sich mit Führung und ihrer Rolle zu beschäftigen. Wer sehr jung eine Chance bekommen hat, will oft beweisen, dass das Vertrauen zurecht in die eigene Person gesetzt wurde, und arbeitet besonders viel, um schnell Erfolge vorweisen zu können. Das ist verständlich, aber häufig der erste Schritt zum Scheitern.
Statt dessen empfiehlt es sich, in Leistungsspitzen zu denken: Im normalen Redaktionsalltag bewusst mit 80 Prozent der Leistungsfähigkeit arbeiten, nur im Ausnahmefall – etwa bei einem besonderen aktuellen Ereignis oder Projekt – mit 100 Prozent. Die Differenz ist nicht Faulheit oder Passivität, sondern die notwendige Reserve für all das Unerwartete, was in jedem Fall kommen wird, aber eben auch für Beobachtung und Reflexion, zwei entscheidende Prozesse, die Zeit und eine gewisse innere Distanz erfordern.
Denken Sie nicht in Monaten, sondern Jahren
Der nächste Faktor ist, langfristig zu denken. Auch wenn es so scheint: Die nächsten sechs bis neun Monate sind nicht kampfentscheidend. Der Arbeitgeber erwartet üblicherweise gar nicht, dass Sie sofort Wunder vollbringen, sondern dass Sie sich einarbeiten, Sicherheit gewinnen und dann, mit einsetzender Routine, ihre Leistung langsam steigern. Wer das nicht beachtet, hat zwar einen kraftvollen Start, verliert aber zunehmend die Kraft. Bremsen Sie sich also auch hier anfangs bewusst, um die Möglichkeit zu haben, sich zu steigern.
Was sonst passiert, sieht man leider in vielen Redaktionen: Insbesondere Journalistinnen, die sehr früh und sehr schnell zur Ressort- oder Redaktionsleiterin wurden, nur um ein oder zwei Jahre später um die Rückstufung zur Chefreporterin oder ähnlichen Positionen ohne Personal- und Budgetverantwortung zu bitten (nicht selten nach einem Zusammenbruch, der mit einem Tränenausbruch in der Konferenz beginnt und manchmal mit einem Klinikaufenthalt endet). Das ist nicht nötig und nur begrenzt dem Job geschuldet, sondern eher der Unfähigkeit, Aufgaben und Verantwortlichkeiten, etwa für immer neue Projekte, auch mal abzulehnen.
Team kennenlernen und Verbündete finden
All diese Strategien, von Zeit- bis Ressourcen-Management, haben einen Sinn: Sich nicht völlig im Redaktionsalltag aufzureiben, also der Routine der täglichen Produktion, sondern Kraft für andere wichtige Prozesse zu behalten. Dazu gehört, das Team wirklich kennen zu lernen und Verbünde zu gewinnen. Vor allem unter großem Stress kann es sonst schnell so erscheinen, als seien „alle“ gegen einen, misstrauisch oder neidisch – Tunnelblick. In Wahrheit ist jedes Team natürlich eine sehr gemischte Gruppe von Individuen mit ganz verschiedenen Interessen und möglichen Gründen, Sie zu unterstützen (oder auch nicht).
Hier geht es also darum, die neuen eigenen Mitarbeiter mit viel Zeit kennen zu lernen und zu sehen, wer Sie sowieso mag und unterstützen will, bei wem es vielleicht darum gehen kann, eine Allianz auf Zeit zu verabreden (wenn z. B. ein Kollege sowieso mittelfristig wechseln will), wer vielleicht auf Unterstützung hofft, Sie also ein Angebot machen können, sich im Gegenzug für ihn einzusetzen. Sie müssen all das weder auswendig lernen noch sofort am ersten Tag wissen, sondern über die Zeit ein Gefühl für Ihr Team entwickeln.
Statt einer „Rolle“ Ihren eigenen Stil finden
Nun zum problematischen Begriff der „Rolle“: Er suggeriert, es gäbe ein festes Verhalten, das es zu kennen und zu lernen gebe. Das funktioniert aus vielen Gründen nicht. Eventuelle Vorbilder sind meist deutlich älter und können damit entschiedener und auch autoritärer auftreten, als es für eine junge Führungskraft angemessen und auch glaubhaft wäre. Ein Nachahmen ist dazu erkennbar unauthentisch, und bei der kleinsten Belastung (z. B. Streit mit Mitarbeiter) verrutschte die Maske und enthüllt die Angst und Unsicherheit dahinter.
So sollte es eher darum gehen, langsam seinen eigenen Stil zu finden. Zum einen könnten Sie sich an Gelegenheiten erinnern, bei denen Sie in Ihrer Kindheit oder Jugend schon einmal geführt haben, zum Beispiel im Sport oder Verein, auch jüngere Geschwister. Wie hat sich das angefühlt, was hat für Sie gut funktioniert? Zum anderen könnten Sie an frühere Vorgesetzte denken, zum Beispiel Ausbilder, Dozenten, Chefredakteure, auch Mentoren: Was hat Ihnen gefallen, welche Aspekte würden Sie gern übernehmen, welche nicht?
In der Summe geht es darum, an frühere eigene Erfahrungen anzuknüpfen, auch wenn sie altersgemäß noch bescheiden waren, sowie ausgewählte Aspekte von beobachtetem Führungsverhaltens zu übernehmen, ohne die Person kopieren zu wollen. Statt eines „Rollenwechsels“ geschieht dann, wenn Sie sich die Zeit geben, etwas viel nachhaltigeres: Sie bleiben im Kern, wer Sie sind, spielen also keine Rolle, sondern wachsen mit Ihren Aufgaben und werden jemand, der andere durch Authentizität motiviert und überzeugt.
Dieser Beitrag erschien zuerst auf Kress.de.
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