Wenn Mitarbeiter davon überzeugt sind, es besser zu wissen als ihre Vorgesetzten, sind Konflikte programmiert.

Mein Chef macht nicht, was ich will

[dropcap]F[/dropcap]asst man das Problem in einem Satz zusammen, klingt es amüsant und erhellend zugleich: „Mein Chef macht nicht, was ich will!“ Tatsächlich ist diese Klage aber erstaunlich häufig, und dahinter verbergen sich monate- bis jahrelange Konflikte, oft unendlich zermürbend für alle Beteiligten: Mitarbeiter, die davon überzeugt sind, dass ihr Chef anders arbeiten sollte – etwa schneller Entscheiden (oder überhaupt), klarere Ziele setzen, entschlossener vorgehe oder die Meetings besser führen. Das Problem ist nur: Er ist der Chef, der Mitarbeiter nicht.

Vielfach versuchen Mitarbeiter in dieser Situation, die Hierarchie auf den Kopf zu stellen und selbst die Führung zu übernehmen, verzweifeln andererseits an der empfundenen Sturheit oder Uneinsichtigkeit ihres Vorgesetzten. Auf den Chef wirkt das drängend, schnippig und ständig genervt, nicht selten auch wie eine Überschreitung der Kompetenzen. Das kann für den Mitarbeiter zu einem unangenehmen Erwachen führen: Er hält sich für unterschätzt und erwartet vielfach sogar eine Beförderung oder Gehaltserhöhung, der Chef eröffnet ihm aber im Gegenteil, dass man sich möglicherweise trennen müsse. Was also tun?

Grundsätzlich ist zu sagen, dass dieses Szenario zwei ganz gegensätzliche Gründe haben kann, und in der Praxis scheinen mir beide etwa gleich häufig:

  • Der Mitarbeiter überschätzt sich und beurteilt seinen Chef mit unzureichendem Einblick oder den falschen Kriterien. Beispiel: Was er für Entscheidungsschwäche hält, ist in Wahrheit vielleicht Strategie – der Chef hält sich möglichst lange alle Optionen offen und nimmt dafür in Kauf, dass sein Team später aufholen muss.
  • Oder: Der Mitarbeiter ist tatsächlich besser, hält sich aber aus Mutlosigkeit oder praktischen Gründen an einem Job fest, aus dem er längst herausgewachsen ist. Er sieht sich vielleicht durch den Partner oder die Kinder gebunden, das Haus ist nicht abgezahlt, die Risiken (neue Probezeit) scheinen zu hoch.

Wer seinen Chef manipulieren will, schadet sich oft selbst

Eine problematische Taktik ist es, wie erwähnt, seinen Chef mehr oder wenig offensichtlich manipulieren zu wollen. Mit demonstrativ vorgehaltenen Statistiken oder Artikeln in der Redaktionskonferenz etwa, die die eigene Position untermauern sollen, mit Emotionen von Trotz bis Wutausbruch, mit der Bitte um immer neue Aussprachen, die dann doch zu nichts führen. Aber auch „Aushalten“ wird langfristig schwierig, dafür ist die Situation zu belastend und die eigene Gefühlslage weder vor dem Chef noch den Kollegen zu verbergen.

Ein guter erster Schritt könnte ein Realitäts-Check sein: Werden Sie tatsächlich unterschätzt oder überschätzen Sie sich? Ziehen Sie erst einmal beide Möglichkeiten in Betracht, auch wenn Ihnen eine tendenziell näher scheint. Wer in einem langen Grabenkampf steckt, ist selbst verletzt, enttäuscht oder verbittert – nicht die beste Voraussetzung, eine Situation und sich selbst neutral zu betrachten. Ebenso gilt das für Ihre Sicht auf den Chef, sie ist ebenso stark emotional gefärbt, in einer anderen Lage würden Sie ihn wohl anders sehen.

Fragen Sie nicht Partner oder Freunde, die selbstverständlich bestätigen werden, dass Sie ungerecht behandelt werden und besseres verdient hätten. Suchen Sie stattdessen nach möglichst objektiven Kriterien: Was haben Sie in Ihrem Job beigetragen, dass sich messen lässt? Arbeiten Sie im Online-Journalismus, lässt sich das vielleicht an Ihrem Anteil am Seiten-Traffic oder an den Social-Media-Interaktionen ausdrücken, bei einer Zeitung oder einem Magazin an der Zahl der Seite-1-Aufmacher bzw. Titelseiten, im Anzeigenverkauf oder Vertrieb an Ihrem Anteil am Umsatz. Das sagt nicht alles, aber schon viel.

Neutrale Kriterien für die Selbsteinschätzung

Ein weiterer guter Gradmesser ist Ihr Marktwert: Wo könnten Sie hin, wenn Sie wechseln wollten – haben Sie Angebote erhalten, wie verliefen testweise Bewerbungen? Haben Sie nichts vorliegen bzw. überhaupt unternommen, sollten Sie vielleicht das zuerst tun. Es kann schmerzhaft sein, feststellen zu müssen, dass man zu den aktuellen Gehaltsvorstellungen und am bevorzugten Wohnort gar nichts finden würde. Aber gleichzeitig ist diese Einsicht oft hilfreich, weil sie die Aufmerksamkeit umlenkt: Plötzlich geht es gar nicht mehr um den Chef, sondern vielleicht um Themen wie eine nötige Weiterbildung oder besseres Networking.

Ebenso habe ich unter Coaching-Klienten aber auch die exakt entgegengesetzte Erkenntnis gesehen: Ja, sie waren tatsächlich besser als ihr Chef geworden (was durchaus auch für den Vorgesetzten spricht, unter dem sie sich dahin entwickeln konnten) – der Job war zu klein für sie geworden. Diese Mitarbeiter haben nach einigen Gesprächen vielfach deutlich höhere, besser bezahlte und interessantere Positionen bekommen. Nicht selten verbesserte sich, nach einer ehrlichen Aussprache und manchmal ein paar Tränchen, auch die Beziehung zum früheren Vorgesetzten wieder oder wurde sogar zu einer vertrauten Freundschaft.

Ein Vorgesetzter sollte mit dieser Situation vertraut sein und sie schon früh erkennen: Wer gute Mitarbeiter in seinem Team hat, wird sie gehen lassen müssen – und ihnen manchmal sogar mit einen kleinen Schubs dabei helfen, etwa eine Qualifizierung anregen, eine interne Rotation vorschlagen, für eine Beförderung empfehlen. Das ist zwar kurzfristig unangenehm, wenn Ersatz gefunden werden muss, langfristig aber wichtig für die Erneuerung des Teams und eine positive Dynamik, aber auch für die eigene Karriere wertvoll: Wer viele junge Stars hervorbringt, muss auch selbst ziemlich gut sein.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Kress.de.

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