Viele Medienprofis glauben, dass sie effektiver arbeiten und sich besser organisieren müssten

Ewig gestresst und nie genug Zeit

[dropcap]E[/dropcap]s ist erstaunlich, wie häufig langjährige Journalisten, Ressortleiter oder Produktmanager ihr Coaching mit der eigenen Einschätzung beginnen, sie müssten „effektiver arbeiten“ lernen und „sich besser organisieren“. Schon der Blick auf die berufliche Vita nährt erste Zweifel. Sollte das wirklich ein Problem sein, wären sie nicht so weit gekommen. Im Gespräch stellt sich sehr schnell heraus, das exakt das Gegenteil der Fall ist: Sie sind überoptimiert und daher überlastet – sie sind nicht etwa schlecht organisiert, sie machen einfach zu viel.

Tatsächlich berichten diese Medienprofis von allerlei Anzeichen, dass sie ihr Leben nicht mehr ganz unter Kontrolle haben. Bei einem stapeln sich unerledigte Dokumente, seien sie für die Steuererklärung oder das private Archiv, seit Monaten. Bei anderen ist die Wohnung recht chaotisch, die Pflanzen vertrocknet, die Bügelwäsche türmt sich und für all das, was über das Notwendige des Alltags hinaus geplant war, beispielsweise ein Sprachkurs oder eine Bewerbung, ist überhaupt keine Zeit und Kraft mehr. Wie passt das zusammen?

Zeitmanagement-Methoden haben oft den gegenteiligen Effekt

In vielem sind das Folgen einer veränderten Arbeitswelt. Vor 15 Jahren noch wurden viele Verlagsangestellte beispielsweise in Zeitmanagement-Kurse nach Lothar Seiwert und Werner Tiki Küstenmacher („Simplify your life“) geschickt. Leider nahmen sie daraus nicht etwa eine Vereinfachung mit, sondern lernten die Verdichtung ihrer Kalender: Immer mehr in einen Tag packen, „effektiver sein“. Heute sind es Programme wie „Search Inside Yourself“, die weniger Stress unter Einsatz von Meditationstechniken versprechen, aber ebenso eher dazu führen, dass Mitarbeiter gerade deswegen nicht endlich verändern, was sie stresst.

Auch viele „Tools“, also kleine Techniken, haben heute den gegenteiligen Effekt als damals versprochen. Ein Beispiel dafür sind To-Do-Listen: Sie sollten ursprünglich helfen, Aufgaben zu organisieren und einzeln abzuarbeiten. Inzwischen sind sie für viele aber zu einer endlosen Liste von Erledigungen geworden, die Arbeit scheint nie aufzuhören. Schon der Blick darauf ist oft derart ermüdend, dass sie gar nicht mehr anfangen wollen und sich lieber in einen kleinen Trost flüchten, beispielsweise lieber durch Facebook oder Twitter scrollen.

Hier nun einige Möglichkeiten, sich von all dem wieder zu befreien:

Sehen Sie To-Do-Liste als Prioritätenlisten: Was oben steht, ist wirklich wichtig, nach unten hin werden die Aufgaben immer unwichtiger. Sie haben also nicht eine unendliche Liste von Erledigungen vor sich, die allesamt zu schaffen sind. Sondern: Einige wenige Aufgaben sind entscheidend, auf diese sollten Sie sich konzentrieren, und gelassen damit umgehen, dass vieles weiter unten nie erledigt werden wird, von selbst seine Bedeutung verliert oder einfach nie wirklich wichtig war. Kategorie: „Nice to have“, wäre nett, muss aber nicht.

Denken Sie wieder mehr an sich. Die Vermischung von Berufs- und Privatleben, seit der „New Economy“ propagiert, hat vor allem zu einer Verschiebung des Berufs- ins Privatleben geführt: E-Mails, die noch um Mitternacht zu Hause beantwortet werden, Sonntage, die der Vorbereitung von Meetings dienen, Busse, Züge und U-Bahnen, die zu rollenden Büros geworden sind. Hier müssen Sie selbst entscheiden, wo Sie die Grenzen ziehen wollen – in vielen Fällen macht es gar keinen Unterschied, den Job wieder erst im Büro zu beginnen.

Erlauben Sie sich mehr Nichtstun und Egoismus

Erlauben Sie sich ein wenig „Faulheit“, sie hat einen Wert für sie. Hier ist eine Analogie zum Sport sinnvoll: Wer trainiert, weiß nach kurzer Zeit, das Ruhetage zum Erfolg dazu gehören. Das sind die Tage, an denen die beanspruchten Muskeln sich erneuern und wachsen. Nicht anders ist es mit Ihrer Arbeitskraft: Sie braucht die Phasen, in denen Sie absichtlich nichts geplant haben und einfach Ihren Gedanken nachhängen können, ein bisschen Musik hören oder was auch immer Sie gern tun – und wenn es nur eine halbe Stunde abends ist.

Auch hier ist ein wenig mehr Egoismus und weniger Perfektionismus erlaubt. Alleinstehende berufstätige Mütter müssen sich oft erst wieder angewöhnen, nicht abends auch noch einen perfekten Haushalt hinterlassen zu wollen, ehe sie selbst ins Bett gehen – manchmal ist es besser, das Geschirr mal stehen zu lassen, und sich ein wenig zu erholen. Junge Leute mit einem großen Freundeskreis müssen oft erst dahin kommen, all den wirklich lieben Freunde, die sich am Wochenende selbst zum Frühstück eingeladen haben, abzusagen und lieber mal auszuschlafen oder ein wenig Zeit nur mit dem Partner zu verbringen. Das gilt auch für Reisen: Mancher abgesagte Städte- oder Wellnesstrip ist die beste Erholung.

Ein weiterer Punkt ist der passive Medienkonsum. Früher war es der Fernseher, heute das Tablet auf dem Sofa oder das Handy im Bett: Schnell ist ein ganzer Abend weg mit Surfen auf Facebook, YouTube und Wikipedia – Zeit, die Sie im Rückblick vielfach lieber anders  verwendet hätten (oder, nach acht bis zehn Stunden in der Redaktion, einfach einmal nicht vor einem Display). Hier geht es nicht darum, dieses unstrittige Vergnügen ganz streichen zu wollen, sondern sich vorab eine zeitliche Grenze dafür zu überlegen: Worauf haben Sie Lust und Dauer halten Sie für angemessen? Beispiel: Eine Stunde über den Tag verteilt.

Sehr hilfreich ist es, sich kleine Ziele zu setzen. Eine Viertelstunde ist für jemanden, der beruflich sehr eingespannt ist, bereits eine relevante Einheit. In 15 Minuten können Sie beispielsweise eine Lektion machen, wenn Sie eine Fremdsprache lernen, oder den Stapel mit den unerledigten Unterlagen durchsehen. Was gut funktioniert: Einen Handy-Timer oder eine Eieruhr auf 15 Minuten stellen und sehen, wie viel Sie in dieser kurzen Zeitspanne erledigen können – da Sie in Wahrheit sehr effektiv sind, ist es oft erstaunlich viel. Und danach widmen Sie sich ohne schlechtes Gewissen etwas, das Ihnen Spaß macht.

Prüfen Sie auch, auf welche Zeitfresser Sie verzichten wollen, vielleicht probeweise erst einmal für eine Woche. Manchmal machen schon Kleinigkeiten einen Unterschied. Beispiel: Einige Klienten haben die Facebook-App von ihrem Handy gelöscht. Wenn sie unterwegs auf Facebook wollen, müssen sie nun über den mobilen Browser gehen, was umständlicher und weniger bequem ist und sie vielfach veranlasst, dass es dann einfach ganz zu lassen. Über den Tag verteilt kann sich das zu ein bis zwei Stunden weniger Ablenkung addieren.

Respektieren Sie Ihre privaten Termine wie Ihre beruflichen: Im Kalender eintragen, nur im Ausnahmefall absagen oder verschieben. Tendenziell behandeln die meisten ihre privaten Pläne (Sport, Familie, Hobbys) unbewusst als Verfügungsmasse – wünschenswert, wenn beruflich wirklich nichts anliegt. Hier hilft schon der Blick auf einen selbst gesetzten privaten Termin, etwa den Yogakurs, dann doch nicht noch eine Überstunde mehr zu machen.

Ein letzter wichtiger Punkt ist das Nachdenken über das, was Sie streichen könnten. Dies gilt insbesondere für berufliche Aufgaben, bei denen es die Tendenz gibt, immer mehr dazu zu nehmen, aber nie wirklich darüber nachzudenken, was beendet werden kann – immer noch ein Projekt, immer noch eine Extra-Aufgabe. Hier ist ein gemeinsames Brainstorming im Team oft sehr sinnvoll, analog zur Prioritäten-Liste: Was ist wirklich wichtig, auf was können wir verzichten? Je weniger Zwänge, desto mehr können Sie gestalten.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Kress.de.

 

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