Chef, aber keine Ahnung, was wirklich los ist?

[dropcap]D[/dropcap]er Leiter einer Lokalredaktion rief fast jeden Tag einen Bekannten in der Zentralredaktion an, um zu erfahren, was die Chefredaktion wohl über ihn dachte. Jede Bemerkung, die nebenbei in der Konferenz gefallen war, wurde in diesen Telefonaten ausgewertet: Wie war sein Stand „ganz oben“? Eines Tages stand eine HR-Mitarbeiterin unangemeldet in seinem Büro und teilte ihm mit, dass seine Redaktion verkleinert und sein Vertrag aufgelöst wurde. Er hatte, trotz all seiner Nachforschungen, nicht ansatzweise mitbekommen, was vorging.

Ein Verlagsleiter hatte die Angewohnheit, recht verärgert auf Kritik zu reagieren – auch wenn sie sich nicht einmal auf ihn, sondern auf Probleme im Unternehmen oder in seiner Abteilung bezog. Das führte bald dazu, dass Mitarbeiter sie nicht mehr erzählten (obwohl sie vorher auch immer sogar Lösungsvorschläge genannt hatten). Nach einiger Zeit hatten seine Einschätzungen kaum noch etwas mit der Realität zu tun. Entsprechend oft entschied er falsch. Projekte scheiterten oder verzögerten sich deswegen, gute Mitarbeiter kündigten.

Immer wieder kommt es vor, dass Chefs zwar vieles wissen – aber nicht, was wirklich los ist: Die wahre Situation im Unternehmen, die Stimmung im Team, was die Kunden tatsächlich denken und die Marktforschung nie herausfand. Wer als Vorgesetzter aber fundamentale Informationen und die großen Trends nicht erfährt oder sogar bewusst ignoriert, lebt in einer gemütlichen, gefährlichen Scheinwelt. Doch wie erfahre ich als Chef, wie die Lage ist?

Der CEO weiß oft weniger als der Abteilungsleiter

Eine Unternehmensberaterin sagte mir einmal: „In den meisten Unternehmen weiß der CEO weniger als seine Abteilungsleiter.“ Das ist grundsätzlich erstmal auch kein Problem: Der CEO hat völlig andere Aufgaben. Allerdings sollte jede Führungskraft, also auch der Chef, die großen Entwicklungen korrekt einschätzen können. Je weiter oben, desto schwieriger ist das: Die Arbeit hat weniger mit dem operativen Alltag zu tun und entfernt sich von der Basis. Die Mitarbeiter filtern Informationen, nicht immer bewusst und aus schlechten Motiven.

Diese Schritte können Ihnen helfen, zu realistischen Entscheidungen und damit zu besseren Entscheidungen und Ergebnissen zu kommen:

  • Gehen Sie davon aus, dass Sie viele gefilterte oder ganz verfälschte Informationen erhalten: Manche Mitarbeiter wollen Sie abschirmen, andere sich nicht angreifbar machen oder in Gespräche verwickelt werden, die ihnen am Ende schaden.
  • Suchen Sie nach objektiven Fakten, um Ihre aktuelle Meinung zu prüfen. Beispiel: Sie hielten die Umstellung auf flexible Arbeitsplätze im Newsroom für eine gute Idee. Wie aber haben sich Kündigungen, Wechsel und Krankenstände entwickelt?
  • Wenn Sie sich auf Umfragen (z. B. von Mitarbeitern) stützen, sehen Sie sich immer auch die Methodik an: Wer wurde eigentlich gefragt, welche Antwortoptionen wurden angeboten, wie war der Rücklauf? Vieles relativiert sich dadurch deutlich.
  • Bemühen Sie sich um eigenen Beobachtungen, der persönliche Eindruck sagt oft am meisten. Beispiel: Besuchen Sie als Chefredakteur regelmäßig spontan diese oder jene Redaktion – wie sieht es im Büro aus, was erzählen die Kollegen?
  • Durchbrechen Sie Hierarchien. Der Pförtner wird möglicherweise mehr erzählen als Ihr Referent, weil er weder besonders gehemmt ist noch Karriere machen möchte. Ein freier Mitarbeiter kennt Ihre Redaktion von einer komplett anderen Seite.
  • Seien Sie ein guter Zuhörer: Jede brüskierte Reaktion bringt Ihr Gegenüber zum Schweigen, und Sie bringen sich um wertvolle Einblicke. Stellen Sie Fragen, versuchen Sie Ihr Gegenüber zu verstehen, bedanken Sie sich für die Ehrlichkeit.
  • In jedem Fall sollten Sie bereit sein, andere Meinungen anzunehmen. Sie können davon ausgehen, dass Ihre Mitarbeiter die Details besser kennen und die Folgen Ihrer Entscheidungen in der Praxis prüfen und tragen. Respektieren Sie das.
  • Bemühen Sie sich um das, was man „Fehlerkultur“ nennt: Führen Sie offene und interessierte Diskussionen im Team ein. Regelmäßige Formate haben sich bewährt, wenn sie nicht zu rituell abgehalten werden. Je lockerer im Stil, desto ehrlicher.
  • Reflektieren Sie, wie Sie auf unangenehme Informationen reagieren. Wehren Sie sie ab, sprechen Sie dagegen, fühlen Sie sich angegriffen oder persönlich beleidigt? Je ehrlicher Sie zu sich selbst sind, desto ehrlicher können andere es zu Ihnen sein.

Eine übliche Redewendung besagt, dass es einsam an der Spitze sei. Richtiger ist: An der Spitze hat man viele falsche Freunde, aber wenige echte Vertraute. Es liegt an Ihnen, Vertrauensverhältnisse aufzubauen und zu pflegen. Als Führungskraft muss dieser Schritt von Ihnen kommen und nützt Ihnen langfristig auch am meisten. Bemühen Sie sich also um Ehrlichkeit – damit Sie immer im Bilde sind, was um Sie herum wirklich los ist.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Kress.de.

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