Tun, wovon alle anderen abraten
[dropcap]M[/dropcap]an sollte nicht glauben, wie viele Klienten, mit denen ich ein Coaching beginne, eigentlich bereits sehr genau wissen, was sie wollen: Einen bestimmten Job annehmen oder aufgeben, den Wohnort wechseln oder ihren Lebensstil auf eine Art verändern, die sie recht präzise beschreiben und auch problemlos umsetzen könnten. Was hält sie davon ab? Selbstzweifel und die Unsicherheit, dem eigenen Urteil anstatt dem anderer zu vertrauen.
„Meine Freunde sagen, ich soll das lassen“, heißt es statt dessen. Andere fügen in jeden zweiten Satz ein: „Meine Frau meint aber…“ Manchmal geht es nur um Kleinigkeiten, etwa die Wahl eines Hobbys oder praktizierte Freundschaften, vielfach aber um echte Lebensentscheidungen: Familie gründen oder nicht, Karriere fortsetzen oder eine eigene Firma gründen, bleiben oder auswandern, eine Religion aktiv ausüben und ähnliches.
Der Zwiespalt ergibt sich offensichtlich daraus, dass geliebte und geschätzte Menschen – Partner, Verwandte, Freunde, die einen gut kennen – eine andere Position vertreten und meist auch rational begründen können. Haben sie Recht, sollte man auf sie hören? Hat man selbst etwas übersehen, dass sie als Außenstehende leichter erkennen? Und daraus ergibt sich natürlich, wenn die Argumente diskutiert sind: Welcher Meinung soll man nun folgen?
„Neutrale Meinungen“ gibt es nicht
Als erstes sollte man sich vor Augen halten, dass es „objektive“ oder „neutrale“ Meinungen nicht gibt: Eine Meinung ist per Definition eine persönliche Interpretation einer Situation (anders als eine faktische Information). Jede Meinung, die Sie hören, sagt Ihnen damit vor allem etwas über die betreffende Person, aber wenig bis nichts über sich selbst. Sie erfahren in solchen Gesprächen viel über die Wünsche, Hoffnungen, Ängste und Sorgen der anderen Person, sie helfen Ihnen aber nur sehr begrenzt bei Ihren eigenen Entscheidungen.
Ein alltägliches Beispiel: Eine Redakteurin hat sich eine nebenberufliche Selbständigkeit aufgebaut, die sie am Feierabend und Wochenende ausübt. Sie schätzt die Abwechslung und freut sich über den Nebenverdienst, will es aber dabei belassen. Ihre Freunde bedrängen sie, sie zu ihrem Hauptjob zu machen. Einige meinen, damit würde sie ihre Erfüllung finden, andere vermuten, sie brauche Ermutigung, „trau Dich, Du schaffst das!“
In Wahrheit trifft nichts davon zu, sie möchte einfach nicht von ihrem Nebenjob leben müssen, sondern genießt die Vorteile ihrer Redaktionsarbeit (festes Gehalt, Kollegen, Schreiben). Die Selbstständigkeit ist für sie spannende Ergänzung und Zusatzverdienst und gibt ihr zudem das gute Gefühl, berufliche Optionen zu haben – das genügt. Was die Freunde ihr „raten“, beschreibt nur deren Ideen, hat mit ihr aber gar nichts zu tun.
Ständiges Zögern zeigt Probleme mit Selbstrespekt
Neben Abgrenzung ist ein weiterer Schritt, seine eigenen Ansichten und Gefühle ernst zu nehmen, auch wenn sie anderen vielleicht als unklug, ungewöhnlich oder befremdlich erscheinen könnten. Wer einen Wunsch hat, der hat seine Gründe dafür. Wer spürt, dass er sein Leben auf eine gewisse Art gestalten will, hat als Erwachsener das Recht dazu (selbstverständlich im gesetzlichen Rahmen und auch mit Rücksicht auf andere).
Daraus ergibt sich eine Spannung, mit der man leben muss: Dass man seine Vorstellungen hat und andere eben andere und dass beides nebeneinander stehen kann. Selbst innerhalb engster Beziehung, etwa einer Ehe oder zu den Eltern, ist der Spielraum für Eigenes oft viel größer als erwartet. Lernen müssen Sie hier eher, Ihre Wünsche klar mitzuteilen und bei Bedarf eine Taktik gegen Zermürbungstaktiken wie Vorwürfe, Nörgeleien und moralische Erpressung zu haben. Auch hier liegt der Schlüssel darin, klar abzutrennen, was mit Ihnen zu tun hat und was eigentlich das Problem der anderen Person ist (z. B. Verlustängste).
Ebenfalls annehmen sollte man für sich, das Entscheidungen immer Risiken in sich tragen, sich vielleicht sogar als Irrtum herausstellen. Hier können Sie Ihren Anspruch von „muss perfekt sein“ zu „gut genug“ verändern: Eine Entscheidung braucht nicht so gut sein, dass sie nie mehr korrigiert werden muss. Trauen Sie sich stattdessen die Flexibilität zu, Ihre Entscheidungen bei Bedarf nachzujustieren und sehen Sie den Wert der gewonnen Erfahrung. Es wird viel von lebenslangem Lernen geredet – hier beginnt es.
Wenn Sie feststellen, dass Sie ständig zögern, eigene Wünsche mitzuteilen oder sich zu schwach fühlen, sie auf verbindliche, mühelose Art durchzusetzen, dann hat das fast immer mit zu wenig Selbstrespekt zu tun: Ein Bewusstsein dafür zu haben, dass Ihre Bedürfnisse wichtig sind und zählen. Nicht selten ergibt sich das aus schlechten früheren Erfahrungen, etwa ständiger Herabsetzung in der Kindheit und Jugend. Hier kann eine Therapie sinnvoll sein, wenn Sie diese Hürde dauerhaft als belastend und hinderlich empfinden.
Eine hilfreiche Erfahrung ist ein vielfältiger Freundeskreis, beispielsweise regelmäßiger Kontakt mit ehemaligen Mitschülern oder dem Austausch mit politisch unterschiedlich eingestellten Bekannten. Wer sowohl die Meinung eines Bauarbeiters oder einer Verkäuferin hört wie die eines Bankangestellten oder Beamten, erkennt sehr eindrücklich die stark subjektive Färbung und wird weniger „um Rat fragen“ und Äußerungen anders einordnen.
Das Ziel von all dem ist, vielfältige Informationen und Ansichten zu sammeln und bewusst wahrzunehmen, also Sensibilität und Offenheit statt Ignoranz, sie aber gleichzeitig mit einer gewissen Distanz zu hören und für sich selbst auszuwählen. So können Sie frei und sicher entscheiden und, trotz der unvermeidbaren Risiken jeder Wahl, sicher sein, im Moment das Richtige getan zu haben und bei Bedarf langfristig immer noch verbessern zu können.
Dieser Beitrag erschien zuerst auf Kress.de.
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