Unerwartete Chef-Herausforderungen

[dropcap]W[/dropcap]er zum Ressort- oder Redaktionsleiter, Chefredakteur oder Geschäftsführer befördert wird, richtet sich natürlich auf viel Arbeit und Verantwortung ein. Doch gerade für Medienprofis in ihren ersten Führungspositionen kommen oft gänzlich unerwarteten Herausforderungen hinzu. Sie haben weniger mit Fachkenntnis zu tun als mit Rollenerwartungen und der persönlichen Positionierung zwischen widersprüchlichen Zielen. Hier einige typische Herausforderungen aus diesem Bereich mit Anregungen, wie Sie sie bewältigen können.

Sein Team ermutigen, auch wenn man selbst zweifelt

Kein Plan ist perfekt, und jede Entscheidung ist mit unzähligen Unsicherheiten behaftet. Ist diese neue Digitalplattform, von der jetzt alle reden, wirklich vielversprechend? Verkauft sich Titelgeschichte A oder B besser, und was tun, wenn die Verlagsleitung die Variante C fordert? Ist der neue Teamleiter, den man gerade eingestellt hat und nun der Redaktion vorstellen will, wirklich die beste Wahl? Zweifel gehören zum Führen dazu. Aber gleichzeitig muss sich jeder Chef vor sein Team stellen und seine Entscheidungen überzeugend präsentieren können.

Das setzt voraus, dass eine Führungskraft lernt, die eigenen Zweifel zu überwinden. Dazu gehört, die Mangelhaftigkeit aller Entscheidungen zu akzeptieren. Nie sind Informationen ganz vollständig und korrekt, ständig ändern äußere Umstände auf unerwartete Weise. Der Ehrgeiz kann daher nur darin liegen, diese unvermeidbaren Risiken gering zu halten, die Sache dann aber durchzuziehen. Der feine Unterschied zwischen Führungsstärke und Ignoranz liegt darin, danach das Umfeld weiter zu beobachten und den Kurs bei Bedarf anzupassen.

Entscheidungen vertreten, die andere getroffen haben

Oft vergessen Mitarbeiter, dass ihr Chef ebenfalls einen Vorgesetzten hat. Der Ressortleiter steht beim Chefredakteur in der Verantwortung. Der Chefredakteur muss sich beim CEO rechtfertigen, der wiederum beim Aufsichtsrat, über dem wiederum die Haupteigentümer stehen. Und wie in jedem anderen Mitarbeiterverhältnis geht manche Anordnung nach unten, die man selbst so nicht getroffen hätte. Als einfacher Reporter oder Redakteur kann man da noch schimpfen und protestieren. Als Führungskraft muss man sie oft aktiv vertreten.

Diese Situation erleben Chefredakteure, die ein Verkleinern ihrer Teams als „Optimierung der Prozesse“ loben müssen und behaupten, damit würde das Produkt besser. Oder Verlagsleiter, die wider besseres Wissen vor ihren Teams erklären sollen, durch das Zusammenlegen diverser Standorte würde die Redaktion „gestärkt“. Das sind oft bittere und auch peinliche Momente, die man aushalten lernen muss. Wo da die eigene Schmerzgrenze liegt (egal, wie gut dotiert der Vertrag ist), muss jede Führungskraft für sich selbst erkunden.

Gegen persönliche Vorlieben entscheiden müssen

Wer eine Führungsposition erreicht hat, ist meist schon viele Jahre in der Medienbranche. Nicht wenige haben mit 15 bis 17 Jahren bei der Lokalzeitung gearbeitet, später studiert und nebenbei geschrieben, sind dann durch die Redaktionen gegangen. Aus jeder dieser Phasen sind ehemalige Arbeitskollegen und Freunde geblieben, die sich nach der Beförderung melden. Manche gratulieren einfach nur ehrlich erfreut. Nicht wenige verbinden damit jedoch auch Hoffnungen auf ein Jobangebot, Aufträge, bessere Kontakte nach oben.

Als Führungskraft muss einem das klar sein, und das sollte einen auch nicht enttäuschen. Dieses Verhalten der anderen ist nur menschlich und oft sogar hilfreich. Viele erfolgreiche Neueinstellungen und berufliche Partner sind Bekannte oder Freunde und zumindest weniger riskant als komplett Unbekannte, die sich auf eine Anzeige hin beworben haben. Wer als Chef jedoch nicht völlig in Abhängigkeiten verstrickt sein will, muss gegen persönliche Vorlieben befreundete Mitarbeiter auch abweisen oder sogar entlassen können und darauf vertrauen, dass diese den Unterschied zwischen privat und beruflich akzeptieren.

Zu wenig Zeit für Konzepte und Strategie zu haben

Die Bezeichnung „Führungskraft“ sagt klar aus, dass Führung die zentrale Aufgabe eines Chefs ist. Das bezieht sich auf die Mitarbeiter und das Objekt, also das Magazin, die Zeitung oder Plattform bzw. einen Teil davon. In Wahrheit finden sich viele Führungskräfte begraben unter Alltagsaufgaben wieder. Die aktuelle Ausgabe ist zu produzieren, Lücken bei Themen und Mitarbeitern zu füllen, Texte zu redigieren (oder überhaupt zu retten). Daneben drängen Pflichtthemen wie Personalfragen, Budgets, Konferenzen zu Verkaufs- und Vertriebszielen.

Diese Überfülle ist normal und wird, anders als oft gehofft, auch beim weiteren Aufstieg nicht weniger. Jede Führungskraft muss deshalb früh lernen, sich Freiräume für echtes Gestalten freizukämpfen: Kleine Zeitfenster, in denen sie an Konzepten und Strategien arbeiten kann. Wo soll das Team hin, wie soll das Objekt in fünf Jahren aussehen, wofür soll unsere Marke stehen? Eine Stunde pro Woche dafür, geblockt im Kalender, ist da schon ein Sieg. Je mehr Routinearbeiten dafür delegiert, verschoben oder ersatzlos gestrichen werden, desto besser.

Mit dem Zwiespalt zwischen Authentizität und Rolle leben

Noch in den 90er Jahren war es in vielen Redaktionen für Führungskräfte üblich, mit Anzug und Krawatte zur Arbeit zu kommen und sich zu siezen (Frauen sah man nur äußerst selten in diesen Positionen, obwohl selbst BILD schon 1981 eine stellvertretende Chefredakteurin hatte). Die Anlehnung an US-Technologiekonzerne und die „Verjüngung“ der Redaktionen hat Freizeitkleidung und -umgangsformen akzeptabel oder sogar erwünscht gemacht, als gäbe es die Trennung zwischen Beruf und Freizeit nicht mehr und auch keine Hierarchien.

Für junge Führungskräfte, insbesondere im digitalen Umfeld, kommt jedoch irgendwann eine ernüchternde Einsicht: Selbstverständlich gibt es Hierarchien und ein Grundmaß an nötiger Professionalität. Man kann und will nur begrenzt mit dem Praktikanten diskutieren. Man muss vielleicht eine Mitarbeiterin ernsthaft ermahnen oder sogar abmahnen, mit der man befreundet ist und am Wochenende noch die Taufe ihres Kindes gefeiert hat. Hier geht es darum, den persönlich besten Mix zwischen Authentizität (wer man ist) und Rolle (was erwartet wird) herauszufinden und hinzunehmen, dass gewisse Widersprüche immer bleiben werden.

Rat benötigen, aber immer weniger Ratgeber zu haben

Schon auf der Ebene der Ressortleiter ist die interne Konkurrenz oft beachtlich. Tatsächlich ist jede Redaktions- und Budgetsitzung ein Verteilungskampf, und nicht jedem gelingt es, diesen als sportlichen Wettbewerb ohne persönliche Animositäten zu sehen. Je weiter oben, desto weniger sind in einer vergleichbaren Position – und damit sinkt die Zahl der Gesprächspartner, die einen wirklich verstehen. Zudem darf man über viele Themen gar nicht mit anderen sprechen, die gleichzeitig Konkurrenten sind. Manche Führungskraft fühlt sich daher erstaunlich einsam, wenn es um den beruflichen und persönlichen Austausch geht.

Problematisch sind oft ersatzweise Ratschläge von Ehepartnern oder Freunden, die Position und Branche gar nicht kennen. Manch peinlicher Konferenzbeitrag beginnt mit den Worten: „Also, meine Frau hat gesagt…“ Profundere Ratgeber sind oft ehemalige Studienfreunde oder Volontariatskollegen, die ebenfalls Karriere gemacht haben, wenn auch vielleicht in einer anderen Branche. Viele Herausforderungen sind branchenübergreifend. Eine gute Führungskraft sucht sich früh fachkundige, ebenbürtige Gesprächspartner.

All diese Fragen sind beherrschbar und nicht zwingend schlecht, erfordern aber den Abschied von manchen kindlichen Vorstellungen. Ein Chef ist nicht jemand, „der sagt, was gemacht wird“ – eher jemand, der sich zwischen vielen widersprüchlichen Zwängen einen Weg bahnt. Die Lösungen sind in den seltensten Fällen Befreiungsschläge, eher mühsam erarbeitete Kompromisse zwischen den Extremen. Gleichzeitig macht das die Aufgabe als Führungskraft spannend und interessant: Wer will, kann seinen Job tatsächlich oft recht weitgehend selbst gestalten.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Kress.de.

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