Unerwartetes Jobangebot annehmen?

[dropcap]E[/dropcap]s gibt Journalisten, die nie ein Angebot für eine berufliche Veränderung bekommen, die meisten aber zumindest gelegentlich: Ein ehemaliger Vorgesetzter braucht Unterstützung in seiner neuen Redaktion, ein früherer Interviewpartner schlägt einen Wechsel in die PR vor, ein befreundeter Redakteur empfiehlt Sie für eine frei gewordene Stelle vor, die allerdings in einer anderen Stadt ist. „Soll ich das machen?“, ist die Frage, die sich daraus ergibt und die ich regelmäßig (und oft sehr kurzfristig) mit Klienten diskutiere. Dazu einige Gedanken.

Grundsätzlich ist solch ein unerwartetes Angebot erfreulich und auch ein Kompliment: Man schätzt Sie, will Sie und traut Ihnen die Stelle zu. Dazu ist dieser Weg mühelos, ganz anders als eine eigene Stellensuche mitsamt Bewerbungsverfahren. Nicht selten haben Sie zudem eine bessere Verhandlungsposition, etwa beim Gehalt, dem Arbeitsinhalt, Extrawünschen wie Home Office oder Unterstützung bei einer Weiterbildung. Bei einer eigenen Bewerbung ist man, trotz aller Qualifikationen und Nettigkeiten, irgendwie doch oft auch Bittsteller.

Nicht nur die Jobs vergleichen, sondern den Lifestyle

Der häufigste Fehler ist es nun, vor allem den bisherigen und möglichen neuen Job zu vergleichen – also Faktoren wie den Arbeitgeber, Position, Einfluss auf die weitere Karriere, Einkommen. Was vielfach vergessen oder vernachlässigt wird: Welches Leben kommt mit diesem Job? Also sein Einfluss auf Bereiche wie Beziehung, Freundschaften, Gesundheit, persönliche Entwicklung, Lebenssinn – möglicherweise einen ungünstigen, oft aber auch einen unerwartet positiven, wenn Sie beispielsweise nicht mehr pendeln müssen.

Dass ein Berufsanfänger nicht groß darüber nachdenkt, ist völlig normal. Nicht selten lebt er noch in einer WG, hat keine oder nur eine lockere Beziehung und keine Kinder, dafür aber Freunde und damit Anschluß in jeder Großstadt. Doch schon diejenigen, die beispielsweise in einem Sportverein aktiv sind, können nur umziehen oder besonders intensive Jobs annehmen, ohne das aufgeben. Mit dem Alter nehmen die Bindungen zu, aber auch ganz persönliche Präferenzen – wie man sich sein eigenes Leben eigentlich vorstellt.

„Work-Life-Balance“ ist ganz individuell

Über den Begriff „Work-Life-Balance“ kann man natürlich diskutieren. Er ist vor einigen Jahren ein wenig in Ungnade gefallen, vor allem bei denen, die ständige unbezahlte Überstunden zur Ehrensache erklären, drückt aber eine Wahrheit aus: Gewisse Dinge kann man nicht in der Arbeitszeit erledigen – ins Sportstudio oder den Yogakurs kann man vielleicht noch in der Mittagspause, in einen Verein schon nicht mehr, und auch eine Beziehung, Kinder oder Freundschaften brauchen ausreichende und planbare Freizeit.

So stellt sich die Frage, wie das Leben mit dem neuen Job aussehen würde: Welche Folge hätte er für alle Lebensbereiche? Dabei wäre es falsch, sich die ideale Work-Life-Balance zwingend als 50/50-Verteilung vorzustellen: Acht Stunden Arbeiten und acht Stunden Privatleben (und acht Stunden Schlaf). Für manche ist vielleicht eine 80/20-Verteilung ideal, also sehr viel mehr Arbeitszeit, für andere dagegen Teilzeit oder sogar nur freie Mitarbeit.

In der Coaching-Praxis sehe ich alle Varianten: Medienprofis, die jahrelang getrennt vom Partner wohnen und beide das als Möglichkeit genießen, sich beruflich außergewöhnlich stark engagieren zu können und ihre Beziehung so gestalten, indem sie sich auf vielen gemeinsamen Reisen und bei gegenseitigen Besuche immer wieder neu entdecken. Andere leiden darunten, jeden Montagmorgen, Freitag- oder Sonntagabend in Flugzeugen oder Zügen zu sitzen und ihre Kinder vor allem schlafend oder vom Telefon zu kennen.

Der Wohnort entscheidet auch den Lebensstil

Ich selbst habe in Zeitungsredaktionen mehr als 20 Jahre auch Sonntagsdienste gearbeitet, einmal drei Jahre lang fast durchgehend. Das hatte viele Vorteile, etwa Schichtzuschläge, Ausgleichstage in der Woche, an denen man etwas erledigen oder mit denen man die Ferienzeiten verlängern konnte. Auch waren mir die ruhigeren Arbeitstage in der halbleeren Redaktion am Sonntag angenehm. Aber irgendwann störte es mich, dass Normalitäten ein ständiges Problem waren: Samstags mal lang ausgehen können, Familienbesuche, Zeit mit Freunden oder ein Kirchenbesuch am Sonntag. Die Rechnung stimmte nicht mehr.

Im föderalistischen Deutschland ist auch der Ort ein Faktor, denn die Medienhäuser sind ebenso flächendeckend verteilt. Die Entscheidung zwischen Berlin, Hamburg, Köln oder München ist auch eine Entscheidung über die zukünftige Umgebung und einen Lebensstil – ganz zu schweigen von Gütersloh oder Offenburg. Mancher mag sich ein Leben außerhalb einer Millionenstadt nicht mehr vorstellen, andere wünschen sich z. B. für ihre Familie ein ruhigeres Leben. Ich habe frühere Kollegen, die nach einem beruflich bedingten Umzug ihre Freizeit nun im Elsass, in Brandenburg oder am Bodensee verbringen und glücklich geworden sind. (Hier spielen häufig auch Hobby hinein, z. B. Reiten, Wandern, Segeln).

Eine kleine Lebenslüge ist es bei vielen, gerade „im Moment“ ein Leben zu führen, dass sie eigentlich gar nicht wollen, beispielsweise zu pendeln, nie Zeit für eine Weiterbildung, ein Ehrenamt, Sport oder die Familie zu haben. Dieser „Moment“ geht nicht selten seit Jahren, es gibt in gewissen Positionen eben immer wieder das nächste spannende Projekt, das ihn unendlich verlängert. Hier kann ein unerwartetes Jobangebot der Anlass sein, seinen bisherigen Lebensentwurf grundsätzlich zu überdenken und bei Bedarf zu korrigieren.

Manchmal kommt ein Angebot auch mit einem gewissen subtilen Druck: Kann man wirklich ablehnen, wenn ein Chefredakteur persönlich anfragt oder jene Redaktion, für die doch alle arbeiten wollen? Ich habe Fälle gesehen, in denen Vorgesetzte ein Jahr nicht mehr mit einem Mitarbeiter sprachen, weil er die gut dotierte Beförderung in eine Stadt ablehnte, in die er einfach nicht ziehen wollte. Aber da muss man sagen: Am Ende ist es Ihr Leben – ein Ja gesagt ist schnell, aber die langfristigen Folgen tragen Sie und nicht Ihr Chef.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Kress.de.

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