Wir sind umgeben von Menschen, die ewig etwas "überlegen" und es doch Ankündigungen belassen.

Viel überlegt, wenig gemacht

[dropcap]E[/dropcap]ine befreundete Redakteurin sagt mir fast jedes Mal, wenn wir uns wiedersehen: „Ich überlege, den Verlag zu verlassen.“ Oder, als Variante: „Ich überlege, mich woanders zu bewerben.“ Ich würde schätzen, das geht inzwischen zwei oder drei Jahre so, und in dieser Zeit ist praktisch nichts passiert. Ein anderer Journalist, alleinstehend nach einer Scheidung, meint regelmäßig: „Ich überlege, mal Online-Dating zu probieren.“ Er hat sich zwar die Tinder-App heruntergeladen, aber noch nicht einmal sein Profil ausgefüllt. Wieder andere „überlegen, sich selbständig zu machen“, waren aber nicht einmal bei einer Gründerberatung.

Wir sind umgeben von Menschen, die etwas „überlegen“ – Jobwechsel, Trennungen, Umzüge, neue Sportarten oder Diätvorhaben – und uns nach ihren Ankündigungen erwartungsvoll anschauen: „Was denkst Du?“ Man selbst ist ratlos, wenn man diese Idee schon mehrfach von der selben Person gehört hat: Soll man den Vorschlag wieder kommentieren, eigene Ideen einbringen, nur zuhören? Dass es fast immer bei diesen Ankündigungen bleibt, ist kein Zufall, auch keine Willensschwäche oder besondere Gründlichkeit der Betroffenen. Es gibt einen Grund, warum jemand viel davon redet, etwas zu „überlegen“, aber wenig umsetzt.

Er hat wenig mit praktischen Schwierigkeiten zu tun, auch wenn diese zuerst vorgebracht werden, sondern ergibt sich aus dem gedanklichen Ansatz, der dahinter steckt. Es lohnt sich, einmal im Detail zu durchdenken, was „Ich überlege…“ wirklich bedeutet und auslöst:

  • Wer mitteilt, er würde etwas „überlegen“, lädt sein Umfeld dazu ein, die Idee zu kommentieren. Der eine wird sie „gut finden“, der andere „würde sich das nochmal überlegen“. Das sorgt nicht etwa für mehr Klarheit, wie oft geglaubt, sondern wegen der Widersprüchlichkeit aller Meinungen für noch mehr eigene Unsicherheit.
  • Fast alle derartige Ankündigungen haben gar kein Ziel (z.B. neuer Job) zum Thema, sondern den Weg dazu (z. B. eine mögliche Bewerbung). Was bedeutet: Es wird über etwas diskutiert, das im Grunde irrelevant ist. In diesem Beispiel: Eine verschickte Bewerbung bedeutet erst einmal gar nichts, das Ergebnis ist völlig offen.
  • Daneben wird so getan, als gäbe es etwas zu entscheiden. Dabei liegt ausser ein paar dahingesagten Worten nichts vor – keine tatsächliche neue Option (z.B. ein reales Jobangebot), die auf ihre Vor- und Nachteile zu prüfen wäre. Auch hier hält sich der Ansatz, etwas „zu überlegen“, einen Schritt zu früh auf und verharrt dort.

Im Ergebnis bleibt ein ergebnisloses Gedankenspiel, das sich im Kreis dreht, nicht selten über Monate oder sogar Jahre: Soll ich oder nicht? Was spricht dafür, was dagegen? Wird dann doch einmal etwas unternommen, dann halbherzig und lustlos: Das sind die Kandidaten, die vielleicht zu einem Bewerbungsgespräch, ersten Date oder worum es sich jeweils handelt, kommen, aber noch auf dem Weg dahin überlegen, ob das wirklich eine gute Idee war oder man gleich umkehren sollte – und nicht überzeugen, weil sie selbst nicht überzeugt sind.

Wer entscheiden will, braucht zuerst Optionen

Wie kommt man nun aus diesem Kreislauf der leeren Ankündigungen? Indem man die oben erwähnte Logik – dass man über etwas entscheiden will, obwohl noch gar keine echte Option vorliegt – umdreht und sich zuerst Optionen schafft, ohne sie zu beurteilen.

  1. Im ersten Schritt geht es darum, das Problem und einen grundsätzlichen Ausweg zu umreißen. Das ist meist sehr einfach. Wer in seinem aktuellen Job unglücklich oder unzufrieden ist, braucht einen neuen Job, sei es beim aktuellen Arbeitgeber oder extern. Wer nicht mehr allein sein möchte, braucht einen neuen Partner oder eine Partnerin. Das klingt banal, muss aber gedanklich einmal festgehalten werden.
  2. Im zweiten Schritt geht es darum, möglichst viele reale Optionen zu erzeugen, aber ohne über sie zu entscheiden – ähnlich wie bei der Brainstorming-Technik in Meetings, bei der Ideen gesammelt, aber ausdrücklich nicht beurteilt werden. Bedeutet im Beispiel der Jobsuche: Bewerbungen verschicken, Kontakte ansprechen, wenn es ein Nebenjob sein soll, vielleicht eine Internetseite aufbauen, Angebote verschicken.
  3. Nun erst kommt die Auswahl und Beurteilung: Was hat überhaupt funktioniert, was ist ergebnislos verlaufen? Der zweite Schritt ist nicht ohne Grund ein “Volumengeschäft”, sollte also möglichst viele Versuche umfassen, denn am Ende bleiben oft gar nicht sehr viele echte Optionen, vielfach sogar nur ein oder zwei. An dieser Stelle können Sie nun tatsächlich etwas entscheiden: Kein Gedankenspiel mehr, sondern Alternativen.

Das mag auf den ersten Blick wie eine Banalität erscheinen, verändert aber die Dynamik völlig. Aus „Ich überlege, mich zu bewerben“ wird: „Ich habe mich beworben und überlege, was ich annehme.“ Das ist auf einmal nicht mehr ewiges Zögern und Diskutieren von etwas, das nur eine theoretische Option ist, sondern kraftvolles Agieren und eine Entscheidung über etwas, das tatsächlich real ist. Das stärkt nicht nur den Betroffenen selbst, sondern ist auch für das Umfeld deutlich angenehmer: Man erlebt jemanden, der handelt und sich bewegt.

Was nun, wenn man der Zuhörer ist, also von jemandem, vielleicht einem Kollegen oder Verwandten, immer wieder in der gleichen Sache hört, dass er „überlegt“? Hier können Sie sich das natürlich immer neu anhören, ihre Meinung dazu sagen, und erleben, das wenig oder gar nichts geschieht. Oder Sie helfen dem Betroffen durch die beschriebene Schritte, vielleicht zuerst, indem sie die Aussage interessiert zurückgeben: „Du sagst ja seit langem, dass Du überlegst, Dich woanders zu bewerben. Wie weit bist Du damit?“

Meist wird der Betroffene einräumen, dass noch gar nichts passiert ist und vielleicht nicht mehr davon reden, weil ihm selbst klar wird, dass er im Grunde gar nichts verändern will, sondern nur ein bisschen Frust loswerden. Aber im besten Fall diskutieren Sie sehr bald tatsächliche Versuche und Bemühungen, und das ist spannend und anregend auch für den Zuhörer: Er erlebt, dass es – wenn tatsächlich gewollt – immer Optionen gibt.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Kress.de.

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