Wann ist es an der Zeit, etwas aufzugeben?
[dropcap]E[/dropcap]iner der dümmsten Ratschläge, den man jedoch immer wieder hört und liest, lautet: „Gib niemals auf.“ Er ist als Appell an Ausdauer und Durchhaltevermögen gedacht, in seiner Absolutheit aber falsch. Selbstverständlich ist es eine ganz entscheidende Fähigkeit, etwas auch wieder „aufgeben“ – sprich: beenden – zu können, beispielsweise ein hoffnungsloses Projekt, einen enttäuschenden Job oder eine perspektivlose Beziehung. Die Frage ist eher: Wie lange durchhalten und wann ist der richtige Zeitpunkt, die Sache abzubrechen?
Der erste Schritt ist, eine gewisse Objektivität in die Entscheidung zu bringen. Das hilft Ihnen, sie von kritischen Eigenwertungen zu trennen, etwa, dass andere sie für „flatterhaft“ oder „zu ungeduldig“ halten können und sie ja „noch nie etwas durchgezogen“ hätten. Sie schaffen sich damit auch Unabhängigkeit von gutgemeinten, aber oft gedankenlosen Bemerkungen von Freunden und Verwandten – „das kannst Du doch jetzt nicht aufgeben!“
Suchen Sie sich objektive Kriterien
Ein üblicher Weg, objektiver zu entscheiden, sind Kennwerte wie Zahlen und Zeiträume. In Unternehmen ist das üblich: Die meisten Projekte haben beispielsweise ein Budget und die meisten Geschäftsideen einen Zeitraum, innerhalb dem sie sich bewähren müssen, um weitergeführt zu werden. Das können Sie auch für Ihre eigenen Entscheidungen praktizieren.
Beispiel: Ein freier Journalist könnte sich einen Mindestumsatz als Ziel setzen,der dem Tarifgehalt eines angestellten Kollegen (siehe Gehaltstarifvertrag) entspricht – und einen Zeitraum von 18 Monaten, um dieses Ziel zu erreichen. Erreicht er es, könnte er sich ein höheres Umsatzziel stecken. Erreicht er es nicht, könnte er beginnen, sich auf Bewerbungen auf eine Anstellung zu konzentrieren und nur noch gelegentlich nebenbei frei zu arbeiten.
Die Versuchung liegt natürlich darin, trotz eines verfehlten Zieles weitermachen zu wollen, „es muss doch klappen, wenn ich mich mehr anstrenge“. Hierzu sollte man sich verschiedene Dinge vor Augen halten:
- Wir überschätzen tendenziell die Ausnahmefälle. Man sieht den Lottogewinner, aber nicht die Millionen, die ihre Einsätze verspielt haben. Man liest von Mark Zuckerberg und Elon Musk, aber selten von den 90 Prozent gescheiterten Startups. Man sieht die „Superstar“-Finalisten, aber nicht die 35 000 Aussortierten. Inspirierende Figuren sind wichtig, aber bei der persönlichen Risikoabschätzung sollte man sich eher an die Versicherungsbranche halten – Wahrscheinlichkeiten realistisch kalkulieren.
- Wenn Sie weitermachen, sollten Sie Ihre Methode ändern. Ein anderes Ergebnis bekommt nur, wer etwas anders macht. Die Strategie „Gib niemals auf“ verleitet dazu, das Gleiche weiterzuführen oder gar zu verstärken, auch wenn es erkennbar wenig oder nicht funktioniert hat. Prüfen Sie also, ob Sie überhaupt etwas anders machen könnten. Möglicherweise haben sie eine neue bessere Idee, vielleicht erkennen Sie aber auch, dass alle realistischen Optionen ausgeschöpft sind.
Neben Kennwerten kann ein weiteres Entscheidungskriterium sein, ob ein Projekt nicht seinen Zweck vielleicht schon erfüllt hat. Ich habe immer wieder Coaching-Klienten, denen es geradezu peinlich ist, dass sie „schon wieder“ den Job wechseln, ein neues Hobby anfangen oder in eine neue Stadt ziehen wollen. Im Gespräch stellt sich oft heraus, dass sie ihre Ziele, die sie unbewusst damit verbunden hatten, erreicht hatten – beispielsweise einen Einblick in etwas zu bekommen, etwas einmal zu erleben oder etwas Neues zu lernen.
Auch hier ein Beispiel: Ein Journalist nimmt das Vertragsangebot eines renommierten Verlages in einer beliebten Metropole an. Bereits in der Probezeit stellt er fest, dass er das Unternehmen, von innen betrachtet, als einschränkend und reizlos empfindet, und die Stadt ihm für Kurzbesuche gefällt, aber nicht als Wohnort. Ist es flatterhaft, wieder zu kündigen? Selbstverständlich nicht, die Probezeit gilt – oft übersehen – auch für Arbeitgeber. Der Journalist hat gelernt, wie dieser Job real ist und dass er nicht zu ihm passt. Das ist eine wertvolle Erfahrung, die durch Verlängerung nicht zwingend besser wird.
Die genannten Entscheidungsmöglichkeiten gelten selbstverständlich auch für Beziehungen, seien sie geschäftlicher, freundschaftlicher oder romantischer Natur. Manche haben sich nach wenigen Treffen erschöpft, weil der Preis zu hoch ist (denken Sie an die Analogie zu Budgets), grundlegende Elemente erkennbar nicht passen oder alles gesagt und erlebt ist (denken Sie an den Lerneffekt). Andere sind auch nach Jahrzehnten noch reichhaltig und voller Potential. Vertrauen Sie hier ganz auf Ihr Gefühl, Sie kennen sich am besten.
Wie grenzt sich all das nun zu tatsächlich fehlender Ausdauer ab? Ein Kriterium könnte sein, ob Sie Ihre eigenen Ziele ständig wieder umwerfen. Ist das regelmäßig der Fall, sollten Sie sich niedrigere Ziele setzen. Wenn Sie beispielsweise einen neuen Sport testen wollen, beginnen Sie mit zwölf Wochen, wenn Sie bloggen wollen, mit einem Beitrag pro Monat. So wird Ihre Ausdauer trainiert – realistische Belastungen, langsame Steigerungen.
Sie sehen also, dass es viele gute Gründe gibt, „aufzugeben“. Es braucht oft sogar mehr Mut, eine eigene frühere Entscheidung zu ändern, als weiterzumachen aus Angst vor dem, was die anderen denken könnten. Der nächste Schritt wäre, sein „Portfolio“ an Aktivitäten aktiv durchzusehen: Was wollen Sie davon wirklich weiterführen, was hat seinen Zweck erfüllt? Möglicherweise entdecken Sie dabei, dass Sie gar nicht „flatterhaft“ oder „ungeduldig“ sind, sondern schnell lernen, entscheidungsstark und unabhängig sind.
Dieser Beitrag erschien zuerst auf Kress.de.
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