Wie umgehen mit Bewerbungsfrust?
[dropcap]W[/dropcap]er sich lange nicht mehr beworben hat, weil er seit zehn oder mehr Jahren beim gleichen Medienhaus unter Vertrag ist, weiß häufig nicht, was auf ihn zukommt, wenn er diese Idee doch endlich umsetzen will: „Ich überlege, mich woanders zu bewerben.“ Es hat sich vieles völlig verändert, und vor allem für Journalisten über 40 ist die Erfahrung oft ernüchternd.
Das beginnt damit, dass der Blick in die verlagseigenen wie unabhängigen Stellenbörsen offenbart, dass klassische Redakteursstellen kaum noch ausgeschrieben sind, geschweige denn höhere Positionen (z. B. Chefreporter, Ressortleiter). Einzelne Angebote verlieren sich zwischen unzähligen anderen aus dem Verwaltungs-, Projektmanagement- und IT-Bereich.
Diejenigen journalistischen Stellen, die als offen gemeldet sind, scheiden für die meisten über 40 aus: Sie richten sich erkennbar an Berufsanfänger. Explizit vermerkt („haben erste Erfahrungen gesammelt“, „mit zwei bis vier Jahren Berufserfahrung“) oder subtil durch Symbolfotos von Mittzwanzigern und jugendlich formuliertem Text mit „Du“.
Bei der Bezahlung wird nicht mehr viel geboten
Naturgemäß listet jede Stellenanzeige auf, was der Bewerber mitbringen und leisten soll. Das, was danach folgt, was nämlich die Firma im Gegenzug bietet, hat sich auch verändert. Dort, wo früher „leistungsgerechte“ oder sogar „überdurchschnittliche Bezahlung“ oder ähnliches stand, stehen zunehmend einfach nur noch einige weitere Synonyme für Arbeit.
„Die Chance, ein erfolgreiches Unternehmen mit aufzubauen“, wird da etwa als Leistung des Arbeitgebers vermerkt. „Die Gelegenheit, die digitale Zukunft der Medien mitzugestalten.“ Anderswo: „Selbstständiges, eigenverantwortliches Arbeiten und die Möglichkeit, Deine eigenen Ideen einzubringen und umzusetzen.“ Oft auch: „Start-up-Atmosphäre“, auch wenn es sich um ein Medienhaus handelt, das schon seit dem 19. Jahrhundert existiert.
Die verschämte HR-Prosa hat ihre Gründe: In dieser Sektion wird vielfach nicht mehr besonders viel geboten, nämlich drastisch unter Tarif. Jahresgehälter um 45.000 Euro gelten inzwischen als normal (als Ersatz für Stellen, die vorher bei bis zu 85.000 Euro lagen), oft befristet. Ein Berliner Medienhaus peilt für Jungredakteure um 25-000 Euro an.
Für Bewerber kann es dadurch zum Problem werden, sich selbst innerhalb des eigenen Unternehmens noch einmal zu verändern: Man hat selbst noch einen alten Vertrag, die meisten anderen Abteilungen und später dazugekommenen Mitarbeiter sind längst in niedriger budgetierten Tochtergesellschaften – ein Drittel weniger für die gleiche Arbeit.
Ernüchternd ist auch das Erlebnis der Bewerbung selbst: Umständliche Onlineformulare sind auszufüllen, überall ein neues Login und Profil erforderlich, der „Gehaltswunsch“ als erster Filter bereits integriert. Danach aber ist wochen- bis monatelang Funkstille bis auf die automatisch generierte Bestätigungsmail, obwohl doch „ab sofort“ gesucht wurde.
Viele ausgeschriebene Stellen gibt es gar nicht
Regelmäßig kommt es vor, dass ausgeschriebene Stellen gar nicht existieren: Sie sind längst wieder besetzt, mussten aber formell trotzdem noch einmal ausgeschrieben werden, oder das Unternehmen wollte nur einmal sehen, wer sich meldet, obwohl die Stelle nur intern vergeben werden darf, um die Redaktion weiter zu schrumpfen. Das ist unangenehm auch für die Personaler, die nun zehn Gespräche mit geplanter Absage ansetzen dürfen.
Bei einem Verlagshaus hat sich inzwischen in der Branche herumgesprochen, dass die Personalabteilung derart überlastet ist, dass regelmäßig Bewerber entweder Absagen für Jobs erhalten, für die sie sich gar nicht beworben haben, oder verwechselt werden: Man bedankt sich für das gute Bewerbungsgespräch, habe sich aber nun leider doch für jemand anders entschieden – dabei war die Person gar nicht eingeladen worden.
Vieles davon ist ein Ergebnis, dass die Bewerberauswahl von den Fachstellen (z.B. der Redaktion) stärker in die Personalabteilungen verlagert worden ist, wo man die tatsächlich zu leistende Arbeit nur begrenzt kennt und zudem auch nichts riskieren will. So werden oft recht starre Anforderungslisten abgehakt – wenig Chancen für Bewerber, die nicht eher eindimensionale Profile haben, überhaupt zum Gespräch eingeladen zu werden.
Üben Sie Bewerbungen für mehr Routine
All das klingt natürlich ziemlich frustrierend und ist es auch, gleichzeitig sind Bewerbungen nun einmal der Weg für Veränderungen. So ist ein Schritt, sich früh daran zu gewöhnen, es „sportlich zu sehen“. Das geht nur, wenn man den Job nicht dringend braucht. Bleiben Sie also in der Übung: Bewerben Sie sich immer mal, auch wenn sie „eigentlich gar nicht suchen“, und schauen Sie, wie weit Sie kommen. Das gibt Ihnen auch das beste Gefühl dafür, was eigentlich gesucht wird, und wie gut Ihr Profil aktuell dazu passt.
Ein weiterer Schritt ist, Personalabteilungen so weit wie möglich zu umgehen, soweit es sich nicht um das reine Abwickeln des Prozesses (Unterlagen bearbeiten usw.) geht: Arbeiten Sie an Ihren Kontakten zu Entscheidern im eigenen und anderen Unternehmen. Dabei geht es nicht darum, sich anzubiedern, sondern einfach darum, dass man Sie kennt und eventuell an Sie denkt, wenn Ihr Profil auf eine aktuell oder demnächst offene Stelle passt.
Lassen Sie sich also vom Bewerbungsfrust nicht abschrecken, sondern sehen sie ihn als wichtige Übung für sich und denken Sie daran, dass Unternehmen ebenfalls ihre Mühe haben: Bewerbungen, die überhaupt nicht zu den ausgeschriebenen Jobs passen und Bewerber, die nicht wissen, was sie wollen und wirklich können. Bewerbungen können sogar Spaß machen, wenn Sie diesen spielerischen Ansatz erst einmal für sich finden.
Dieser Beitrag erschien zuerst auf Kress.de.
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