Zu fleißig, um Karriere zu machen

[dropcap]S[/dropcap]ie sind mir bisher in jeder Redaktion begegnet: Mitarbeiter, die so unentbehrlich sind, dass kein Chef sie je befördern würde, wenn er sich nicht selbst schaden wollte. So sehen sie mit an, wie die Vorgesetzten kommen und gehen und Kollegen an ihnen vorbeiziehen. Sie selbst bleiben, wo sie sind, und halten den Betrieb am Laufen.

In zwei Gruppen finden sich diese Kollegen besonders: Unter den spezialisierten, stark technisch orientierten Fachkräften in Produktion, Layout und IT sowie unter Journalisten in nicht-aktuellen Ressorts wie Service, Ratgeber und Lifestyle. Sie trifft die Karriere-Falle der Fleißigen am häufigsten. Doch es gibt auch Auswege.

Gruppe 1: Hochspezialisierte Fachkräfte

In diese Gruppe gehört der Chef vom Dienst, der als einziger die komplizierten Workflows der Redaktion überschaut. Der Cheflayouter, der jeden Abend pünktlich seine Seiten abliefert, obwohl der Chef mit immer neuen Ideen und die Technik alles dafür tun, damit das nicht geschieht. Der Social-Media-Experte, der ein komplexes System aus Veröffentlichungskanälen und -zyklen dirigiert, und das rund um die Uhr.

Diese Kollegen sind heimliche Eminenzen: Sie erinnern sich als einzige noch, wer damals dieses System oder jene Plattform eingeführt hat, sie kennen die verzwickten, häufig selbstgebauten Verbindungen zwischen ihnen. Man kann sie selbst an freien Tagen anrufen, um Zugänge und Passwörter zu erfahren. Häufig muss man das auch, denn andere, die sie auch mal kannten, sind längst nicht mehr in der Redaktion.

Ein typisches Problem dieser Gruppe ist, neben der Karriere-Falle, die jahrelange und ständige Überlastung. Diese Kollegen sind in Positionen, in denen man immer liefern muss – ein Artikel lässt sich verschieben, eine ganze Ausgabe nicht. Schichtarbeit ist häufig, damit verbundene typische Herausforderungen im Beziehungsleben und ungesunde Entlastungsmechanismen wie Kettenrauchen und übermäßiges Fernsehen oder Internet bis in die frühen Morgenstunden.

Ein erster Ansatz für sie ist es oft, Aufgaben zu reduzieren, etwa durch schrittweise Abgabe von Verantwortung und bessere Dokumentation von Workflows, Zugängen u.a. – inklusive der Disziplin, andere zukünftig dahin zu verweisen. Daneben geht es für sie oft darum, ihre große organisatorische und technische Kompetenz um soziale Komponenten zu ergänzen: Deutlich mehr Networking und Außendarstellung (z. B. bei Veranstaltungen), am besten geplant im Kalender und im Zweifel vorab geübt.

Nicht selten erlebe ich bei diesen Medienprofis neben dem Stolz auf das täglich Geleistete einen ironischen Grundton, der ihnen eine gewisse innere Distanzierung erlaubt. Das ist als Schutzmechanismus zwar verständlich, steht aber einer gesunden Selbstwahrnehmung im Wege. Mehr Authentizität und Respekt vor den eigenen Bedürfnissen (z. B. Erholungszeiten) sind daher ebenfalls wichtige Schritte.

Gruppe 2: Mitarbeiter nicht-aktueller Ressorts

In dieser Gruppe findet sich die Magazin-Redakteurin, die jede Woche 100 neue Haushaltstipps tippen (und erstmal finden) muss. Der Kollege, der tausende Zeilen Horoskope und Servicetexte redigiert. Die junge Freie, die Frauen- und Jugendseiten erstellt. Der Redakteur, der Veranstaltungskalender und Ratgeber-Kolumnen betreut. Kurz: Mitarbeiter nicht-aktueller Ressorts wie Service, Ratgeber, Lifestyle, Jugend.

Diese Kollegen erleben oft eine erstaunliche Dissonanz: Den PR-Veröffentlichungen ihrer Arbeitgeber entnehmen sie, dass Servicethemen immer wichtiger würden und relevant seien für die Leser. Andererseits kommen sie in den Themenkonferenzen nicht selten nur kurz zu allerletzt zu Wort, fühlen sich vielfach intern belächelt, und natürlich wirkt jede außenpolitische Analyse ungleich gewichtiger als Modetipps.

Oft ärgert die niedrige Bezahlung und geringe Anerkennung bei gleichzeitig enormen Arbeitsanfall, der nach außen kaum anerkannt oder überhaupt erkannt wird – „wie viel Arbeit kann es schon machen, ein paar Kleider zu betexten?“ In den üblichen Pool-Redaktionen bieten sich nicht selten keinerlei Karrierechancen außer der, immer mehr vom Gleichen zu machen, etwa immer mehr Titel zu bestücken.

Hier ist es zunächst einmal wichtig, nicht mehr wütend auf den Chef, enttäuscht oder verletzt zu sein, sondern das Problem dieser Ressorts anzuerkennen. Junge Kollegen – Chefs werden das ungern lesen – sollten sich hier nur kurz aufhalten. Ältere könnten versuchen, regelmäßig thematisch auszubrechen, etwa gelegentlich Interviews oder Reportagen für Ressorts wie Politik oder News zu machen. Daneben kann es helfen, sich eine zeitweise interne Rotation zu organisieren – wichtig für Selbstbewusstsein, Kontakte und Außenwirkung, aber auch Artikelbelege für spätere Bewerbungen.

Oft erlebe ich diese Kollegen, vielfach übrigens Mütter, als überangepasst und zu bescheiden: Sie ziehen ihren Stolz aus Fleiß, der aber kein starkes Karriere-Kriterium ist – wer führt, gibt ab. Für sie ist es daher auch wichtig, an ihrem Selbstbewusstsein zu arbeiten, bei Bedarf mehr Grenzen zu setzen, wenn etwa die Arbeit dauerhaft nicht mehr zu schaffen ist, anstatt sie dann eben nach Feierabend zu erledigen.

Für beide Gruppen gilt: An dem Spruch, wer zu viel arbeite, habe keine Zeit mehr für Karriere, ist durchaus etwas dran. Dabei geht es nicht unbedingt um neue Titel, oft schon darum, ein jahrelang stagnierendes Gehalt deutlich zu verbessern, was in einem bestehenden Vertrag oft nur schwer auszuhandeln ist – oder tatsächlich endlich mehr Zeit für Familie, Partner oder die eigene Gesundheit zu haben.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Kress.de.

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